Norddeutsche Rundschau    Sport / Mittwoch, 28.08.19

„Wir spielen nicht für Geld“

Im Gespräch: Rouven Kadgien, U21-Europameister vom VfL Kellinghusen, über sein Leben als Toptalent in der Randsportart Faustball

Matthias Wohlrab KELLINGHUSEN Er zählt zu den Besten in seinem Sport, ist aber kein Star. Er betreibt den Aufwand eines Profis, bekommt dafür aber kein Gehalt. Er ist Faustballer – und kein Fußballer. Rouven Kadgien(Foto/imago images) vom VfL Kellinghusen hat vor Kurzem mit der deutschen U21-Nationalmannschaft, deren Kapitän er ist, in Tschechien den EM-Titel gewonnen. Für den 21 Jahre alten gebürtigen Pinneberger war es der vierte EM-Triumph im Juniorenbereich, zudem ist der Linkshänder zweifacher Juniorenweltmeister. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Kadgien über seinen Blick auf das Millionenbusiness Fußball, seine Liebe zum Faustball – und über mögliche Wege, die Randsportart populärer zu machen.

Rouven Kadgien, in diesem Sommer hat neben der U21-EM der Faustballer auch die ungleich mehr beachtete U21-Europameisterschaft der Fußballer stattgefunden. Jeder Ihrer Fußballkollegen hat für den zweiten Platz bei dem Turnier eine Prämie in Höhe von 20 000 Euro bekommen. Wie wurden Sie und Ihre Mitspieler für Platz eins entlohnt?

Die Mannschaft hat einen Pokal bekommen und jeder einzelne Spieler eine Medaille. Das war’s. Wer Faustball spielt, tut das nicht für Geld, sondern aus Leidenschaft. Wir wollten den EM-Titel nach Deutschland holen – und nicht irgendeine Prämie kassieren.

Sind Sie neidisch auf Ihre gleichaltrigen Fußballkollegen, die nicht selten bereits Millionengehälter überwiesen bekommen?

Neidisch nicht. Aber die Summen, die im Fußball bezahlt werden, sind teilweise völlig irre. Das ist schon bitter für alle anderen Sportler, die mindestens denselben Aufwand betreiben, aber davon nicht leben können. Im Prinzip spielt Geld für mich allerdings keine Rolle – ich mache den Sport, weil er mir Freude bereitet, und weil ich ihn schon mein ganzes Leben lang betreibe.

Sie spielen mit dem VfL Kellinghusen in der Faustball-Bundesliga. Welchen Aufwand betreiben Sie, um auf diesem Topniveau mithalten zu können?

Ich trainiere gern und viel. Zum einen an der Universität, ich studiere in Kiel unter anderem Sportwissenschaften. Zum anderen im Verein, wo wir durchschnittlich dreimal pro Woche trainieren. Und dann kommen noch Lauf- und Kräftigungseinheiten dazu, die ich individuell absolviere. Einen Tag ohne Sport gibt es in meinem Kalender selten.

Fußballer gelten gemeinhin als cool, viele Kinder wollen Stars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Toni Kroos nacheifern. Wie reagieren Menschen, denen Sie erzählen, dass Sie ein Top-Faustballer sind? Erfahren Sie Anerkennung, Neugier – oder gar Spott?

Das ist ganz unterschiedlich. Viele fragen tatsächlich erstmal: Was ist Faustball? Die haben vielleicht mal davon gehört, haben das Spiel aber nicht vor Augen. Im Kreis der Sportstudenten ist das ein bisschen anders. Da gibt es viel Anerkennung, wenn es um die gewonnenen Titel geht oder um die vielen Reisen, die ich durch den Sport schon machen durfte.

EUROPAMEISTER AUS KELLINGHUSEN: NEBEN ROUVEN KADGIEN (LI.) TRIUMPHIERTE AUCH DESSEN VEREINSKOLLEGE MARTEN KABBE MIT DER U21-AUSWAHL. C. KADGIEN

Was fasziniert Sie an Faustball?

Faustball ist extrem vielseitig. Man muss improvisieren und sich schnell anpassen, weil das Spiel sehr dynamisch ist. Man braucht eine gute Kondition und Koordination. Das Regelwerk ist leicht zu verstehen. Und: Wenn man eine Leine und einen Ball hat, kann man Faustball eigentlich überall spielen.

Warum ist der Sport dann nicht populär?

Schwer zu sagen. Wahrscheinlich ist das Hauptproblem, dass es an Geld fehlt. TV-Übertragungen würden helfen, Faustball bekannter und populärer zu machen – aber der Verband hat nicht die Mittel, um sich Übertragungszeiten zu kaufen.

Würde es helfen, wenn Faustball olympisch wäre?

Ganz sicher. Dann würden die Spiele in guter Qualität und mit professioneller Kameraführung übertragen werden. Ich bin mir sicher, dass viele Olympia-Fans das attraktiv fänden und beim Faustball hängenbleiben würden. Zumal Deutschland sehr erfolgreich ist, und wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch den Medaillenspiegel heben würden.

Davon ist auszugehen, Deutschland ist führend im Faustball, die Männer- und Frauen-Nationalteams gewinnen WM- und EM-Titel in Serie. Sie selbst sind einer der besten deutschen Nachwuchsspieler – dass Sie eines Tages große Turniere mit der A-Nationalmannschaft gewinnen, die gerade zum dritten Mal in Folge Weltmeister geworden ist, ist eigentlich vorprogrammiert, oder?

Wenn ich mich weiterentwickle und gesund bleibe, könnte es so kommen. Mein großer Ehrgeiz ist, jeden Tag besser zu werden. Und natürlich will ich Weltmeister werden, vielleicht ja sogar Olympiasieger – wer weiß, wohin sich der Faustball entwickelt.

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